Aufbau einer High Performance Culture in hybriden Arbeitszeiten

Die High Performance Culture als Antwort auf den drastischen Wandel der (Arbeits-)Welt 

Bereits vor der Corona-Pandemie waren sich Expert:innen einig: Die Arbeitswelt wird durch den makroökonomischen Einfluss von Volatilität, Ungewissheit, Komplexität und Ambiguität (VUCA) dominiert. Im Jahr 2023 lässt sich dieses Bild mehr als bestätigen: Pandemie inklusive Home-Office-Pflicht, Rückkehr ins Büro, hybride Arbeitsweisen, Angriffskrieg in Europa, Energiekrise etc. Die (Arbeits-)Welt unterliegt einem drastischen Wandel und stellt Unternehmen und Mitarbeitende vor die Herausforderung, sich durchgehend an neue Gegebenheiten anzupassen. Ein Lösungsansatz, um als Unternehmen in der heutigen Zeit erfolgreich bestehen zu können, ist der Aufbau einer High Performance Culture (im Folgenden: HPC). Diese beschreibt ein Umfeld, das Teams mit diversen Persönlichkeiten ermöglicht, ihr individuelles Potential optimal einzusetzen, um gemeinsam definierte Ziele der Organisation zu erreichen.

„Was kennzeichnet eine High Performance Culture in Zeiten hybrider Arbeit?“ Mit dieser Fragestellung befasst sich die qualitative Studie von Verena Vinke, Nicole Zipse (Geschäftsführerinnen, Die CoachingBeratung) und Yannick Bahlmann (Geschäftsführer, BREAX Consulting). Um ein breites Bild zu erlangen, wurden rund 30 Vertreter:innen aus Konzernen, Mittelständlern und Start-Ups via semi-strukturierter Interviews befragt.

 

Die drei Grundsteine einer High Performance Culture

Eine HPC ermöglicht den optimalen Einsatz des persönlichen Potentials unabhängig der individuellen Herausforderung des Mitarbeitenden oder des Unternehmens. Diese können unter den drei Grundsteinen einer High Performance Culture zusammengefasst werden (siehe Abbildung 1):

  1. Grundstein: Ein strategisches Unternehmensleitbild, bestehend aus einem glaubhaften Unternehmenszweck, einem klaren Wertekonstrukt und einer inspirierenden Vision sowie daraus abgeleiteten Zielen.
  2. Grundstein: Eine hohe Talentdichte, bestehend aus hochmotivierten, eigenverantwortlich arbeitenden Mitarbeitenden, die die passenden Kompetenzen sowie ein hohes Level an Eigeninitiative und Zuverlässigkeit aufweisen.
  3. Grundstein: Ein Manifest der Zusammenarbeit, bestehend aus einer Kultur, die auf Vertrauen basiert, Fehlertoleranz kultiviert und in der Konflikte als nährend angesehen werden.

Ein zentrales Ergebnis der geführten Interviews ist, dass die Grundsteine sich gegenseitig bedingen und nicht isoliert voneinander zu betrachten sind. Sie erscheinen auf den ersten Blick nicht neu, jedoch hat die Studie veranschaulicht, dass das Leben aller drei Grundsteine in der Praxis eine Seltenheit ist. Da das makroökonomische Umfeld, das Unternehmen und dessen Ausrichtung sowie die Mitarbeitenden großen Einfluss auf die Grundsteine haben, sollten Führungskräfte darauf bedacht sein, die Grundsteine regelmäßig kritisch zu hinterfragen.

Die drei Grundsteine sind erfolgskritisch für den Aufbau einer HPC unabhängig von der Arbeitsform (Präsenz, Remote, Hybrid). Die Methoden, die zum Aufbau der HPC dienen, unterscheiden sich jedoch je nach Arbeitsform. Es sollte von Fall zu Fall entschieden werden welche Methoden Sinn machen und in welcher Arbeitsform diese am erfolgversprechendsten sind.

Die Grundsteine einer HPC werden im Folgenden genauer beleuchtet. Der Fokus liegt auf einer praxisorientierten Betrachtung, bei der die hybride Arbeitsform in den Mittelpunkt gestellt wird.

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Abbildung 1: Die drei Grundsteine einer HPC

 

Grundstein 1 - Das strategische Unternehmensleitbild: Der Wegweiser für Mitarbeitende

Die Bedeutung eines strategischen Unternehmensleitbilds, bestehend aus Unternehmenszweck, Werten und Vision hat sich durch hybride Arbeit nicht verändert. Deutlich geworden ist jedoch, dass ein solches bereits vor der Corona-Pandemie häufig nicht stringent entwickelt, geschweige denn gelebt wurde. Somit fehlt oft das Fundament für die Entwicklung stringenter Ziele und der dazugehörigen Aufgaben.

Die Interviews haben bei allen drei Elementen des strategischen Unternehmensleitbilds ergeben, dass diese zwar Orientierung bieten, jedoch oft nicht ausreichen, um in Einzelfällen als Entscheidungshilfe für Individuen oder Teams zu dienen. Drastischer formuliert: Mitarbeitende können oft nicht eindeutig sehen, wie ihre Tätigkeit auf die Unternehmensvision einzahlt. Unternehmenszweck, Werte und Vision sind nicht selten zu weit entfernt von ihrem beruflichen Alltag. Es ist ratsam das strategische Unternehmensleitbild nicht nur auf Unternehmensebene zu entwickeln, sondern auch auf Teamebene in Anlehnung an das übergeordnete Leitbild.

Die Arbeitsform (Präsenz, Remote, Hybrid) spielt für das alltägliche Leben des strategischen Leitbilds eine untergeordnete Rolle. Unabhängig von der Arbeitsform sollten Unternehmen jedoch darauf bedacht sein, das Leitbild immer und immer wieder zu kommunizieren. Anders sieht dies jedoch bei der Entwicklung des Leitbilds aus. Sowohl auf Management- wie auch Teamebene ist die klare Empfehlung der Interviewten, die Elemente des Leitbilds in Präsenz zu entwickeln. Denn dies hat zur Folge, dass Commitment bei den Mitarbeitenden eingefordert und langfristig eine stärkere Identifikation mit dem Leitbild sichergestellt wird.

 

Unternehmenszweck

Problembeschreibung

Die Bedeutung des Unternehmenszwecks (auch Purpose genannt) hat in den letzten Jahren, insbesondere durch den Generationenwechsel und dem gestiegenen Bewusstsein für ökologisch und sozial nachhaltigem Handeln, an Bedeutung zugenommen. Der Unternehmenszweck beschreibt die Daseinsberechtigung des Unternehmens und beantwortet somit die Frage, warum das Unternehmen gegründet wurde bzw. existiert.

Auch wenn das Fehlen des ausformulierten Unternehmenszwecks tendenziell selten ist, lassen sich Herausforderungen erkennen. Die Interviews zeigen, dass die reine Entwicklung und die in den meisten Unternehmen vorherrschende Kommunikation oft nicht ausreicht. In manchen Unternehmen wird der Unternehmenszweck passend formuliert, jedoch nicht ausreichend kommuniziert und gerät somit in Vergessenheit. In anderen ist der Unternehmenszweck nicht glaubhaft und stimmt nicht mit dem Handeln des Unternehmens überein. Und in weiteren wird der Unternehmenszweck top-down oktroyiert und entspricht nicht den Vorstellungen der Mitarbeitenden. Vor allem die letzten beiden Aspekte sind mit Bezug auf hybride Arbeit noch kritischer zu betrachten. In allen Arbeitsformen können sie sich stark auf die Zufriedenheit auswirken, da Mitarbeitende sich jedoch unregelmäßiger persönlich sehen, kann diese Unzufriedenheit weniger durch das tägliche Miteinander kompensiert werden.

 
Lösungsansatz

Der Unternehmenszweck sollte vor allem eins sein: glaubwürdig. Somit stellt sich die Frage, wie die Glaubhaftigkeit bei der Entwicklung sichergestellt wird. Auf der einen Seite lohnt es sich, ausreichend Zeit für die Entwicklung des Unternehmenszwecks einzuplanen. Andererseits ergaben die Interviews auch, dass ein kritisches Hinterfragen des Purpose durch verschiedene Stakeholder-Gruppen helfen kann, diesen zu schärfen. Somit kann sichergestellt werden, dass die Innenwahrnehmung (z.B. durch Mitarbeitende) und Außenwahrnehmung (z.B. durch Kunden) des Purpose auch mit dem Handeln des Unternehmens übereinstimmt.

Darüber hinaus gaben einige Interviewte an, dass sie zusätzlich auf Teamebene einen Purpose formuliert haben. Um die Identifikation mit dem Purpose zu steigern wird die Erarbeitung in Präsenz (z.B. in Verbindung mit einem Teamevent) empfohlen. Die Mitarbeitenden im Team werden aufgefordert die Frage nach dem „Warum wurde mein Team gegründet und warum arbeite ich hier?“ zu beantworten, um daraus einen gemeinsamen Team-Purpose zu formulieren. Bei der Formulierung sollte stets auf eine Anlehnung an den Unternehmenszweck geachtet werden.

Auch für die Kommunikation des Unternehmenszwecks gilt: je häufiger dieser im täglichen Berufsalltag durch Führungskräfte kommuniziert wird, desto besser. Erst wenn der Purpose bzw. die Vision bei den Mitarbeitenden fest verankert ist, kann dieser als maßgebliche Hilfe für Entscheidungsfindungen herangezogen werden.

 
Best Practice Tools

Zur Erarbeitung des Unternehmenszwecks wurden Workshops empfohlen, innerhalb deren der „Golden Circles“ (nach Simon Sinek) eines Unternehmens erstellt wird. Mit diesem Tool sollen sich die Teilnehmenden u.a. bewusst mit der Frage des „Warums“ bzw.  „Warum wurde das Unternehmen gegründet“ beschäftigen. Ein weiteres Tool stellt das „Purpose Tournament“ bzw. das „Vision Tournament“ dar. Dies wird im Weiteren genauer erläutert. Beide Methoden sollten in Präsenz durchgeführt werden.

Wie oben beschrieben ist ein weiterer wichtiger Faktor für eine nachhaltige Etablierung eines glaubhaften Unternehmenszwecks, diesen regelmäßig zu kommunizieren. Ein Unternehmen gab an, dass dieser immer wieder zu Beginn von Townhall-Meetings kommuniziert wird. Ein anderes berichtete, dass der Purpose zu Beginn jedes strategisch relevanten Meetings genannt wird.

 

Werte

Problembeschreibung

Als Unternehmenswerte werden die übergeordneten Werte eines Unternehmens verstanden, die ein Unternehmen nach innen und außen vertritt. Sie formen die Identität des Unternehmens und dienen Mitarbeitenden als Orientierungshilfe für die Interaktion mit Stakeholdern sowie zum Treffen von Entscheidungen. Die Werte geben somit den Rahmen vor, innerhalb dessen der Unternehmenszweck und die Vision verwirklicht werden sollen.

Die Interviews verdeutlichen, dass Werte häufig top-down und/ oder sogar mithilfe von externen Beratungen entwickelt werden. In einigen Fällen werden Werte, die Unternehmen in der heutigen Zeit als notwendig erachten, einfach festgelegt, ohne die bestehende Kultur des Unternehmens in Betracht zu ziehen. Zudem wird in den Interviews klar, dass viele Mitarbeitende die Unternehmenswerte nicht klar benennen können oder diese lediglich als „Ausstellungswerk” an der Wand hängen, ohne dass diese tatsächlich gelebt werden.

 
Lösungsansatz

Essenziell ist die Erkenntnis, dass jede bestehende Organisation bereits über Unternehmenswerte verfügt. Anstatt „Soll-Werte“ top-down zu definieren, gilt es die Werte lediglich aufzudecken. Wie beim Thema Unternehmenszweck und Vision, sollten Mitarbeitende dringend auch bei diesem Prozess eingebunden werden. Die Werte können mithilfe von Werte-Workshops aufgedeckt werden. Hierbei ist es wichtig, die einzelnen Werte mit konkreten Beispielen zu versehen. So zeigt sich, wie die bereits heute im Alltag zur Geltung kommen. Auch für Werte gilt: Diese sollten immer wieder kommuniziert werden. Wenn dies nicht geschieht, fehlt den Mitarbeitenden eine Orientierung.

 
Best Practice Tools

Die „Mars Mission“ wurde von den Interviewten als Methode zum Aufdecken der Unternehmenswerte genannt. Die Workshopteilnehmer:innen sollen hierbei die Kolleg:innen beschreiben, die sie mit auf den Mars nehmen möchten. Der Mars steht für die Erreichung der Mission oder Vision. Die Charaktereigenschaften werden aggregiert und zu den aktuellen Werten der Organisation umgewandelt. Anschließend wird mit Hilfe von Unternehmenszweck und Vision das Wertekonstrukt zukunftsweisend ergänzt. Als Ergebnis stehen meist ca. fünf aufgedeckte Werte des Unternehmens, die heruntergebrochen und mit konkreten Beispielen belegt werden.

Ein Unternehmensvertreter ergänzte die Methode in dem er die Verantwortung für einen bestimmten Wert auf einzelne Mitarbeitende übertragen hat. Jeweils eine Person übernimmt hierbei die „Patenschaft” für einen Wert und etabliert mit dem Team konkrete Maßnahmen, damit dieser Wert gelebt wird (bspw. papierloses Arbeiten und Bäume pflanzen als Zeichen des Werts „Nachhaltiges Handeln“).

 

Vision

 Problembeschreibung

Die Vision beschreibt ein abstraktes Bild in der Zukunft, welches es für die Unternehmung zu erreichen gilt. Sie kann somit als erste Operationalisierungsstufe des Purpose beschrieben werden. Allerdings ist für Mitarbeitende oft unklar, was mit einer ausformulierten Vision geschehen soll. Laut der Interviews wird oft viel Zeit in die Entwicklung der Vision investiert, nur um diese dann lediglich auf PowerPoint-Folien niederzuschreiben. Somit stellt eine Vision keine Orientierungshilfe, sondern eher eine zeitintensive Zusatzaufgabe dar.

Aufbauend auf dieser Problematik haben die Interviews gezeigt, dass viele Mitarbeitende nicht in der Lage sind, die Unternehmensvision in eigenen Worten wiederzugeben. Geschweige denn eine Verbindung der eigenen Aufgaben zu der Unternehmensvision herzustellen. Somit ist vielen Mitarbeitende oft unklar, welchen Beitrag sie zur Erreichung der Vision und somit zum Unternehmenserfolg leisten.

 

Lösungsansatz

Im ersten Schritt sollte eine Vision ebenso inspirierend für das Management wie für die Mitarbeitenden der Organisation sein. Um das „Buy-In“ der Mitarbeitenden zu erreichen, sollten diese frühzeitig bei der Visionsentwicklung eingebunden werden. Viele Interviewten waren sich einig über die Fehler, die im Hinblick auf die Visionserstellung gemacht werden: Die Vision wird oft zu kompliziert formuliert. Es wird versucht zu viele Themenfelder in der Vision zu vereinen. Der Tipp der Interviewten: Fokus! Nur so stellt die Vision eine Orientierungshilfe dar.

Eine Teamvision kann helfen, um die Distanz zwischen (Aufgabenpaketen der) Mitarbeitenden und der Unternehmensvision zu verringern. Diese sollten Führungskräfte gemeinsam mit ihren Teams erarbeiten. In den Interviews wurde mehrfach betont, dass die Vision auf Teamebene mit eindeutigen Zielen hinterlegt werden soll. In einem weiteren Schritt können dazugehörige Aufgabenpakete abgeleitet werden. Dieses Vorgehen erleichterte es den Mitarbeitenden zu verstehen, wie ihre Arbeit auf die Unternehmens- und Teamvision einzahlt. Ebenso können Aufgaben, die nicht auf die Unternehmensvision einzahlen einfacher hinterfragt und gegebenenfalls aussortiert werden.

 

Best Practice Tools

Als bestes Practice Tool wurden in den Interviews jährliche Visionsworkshops sowohl auf Management- wie auf Teamebene genannt. Diese sollten in Präsenz durchgeführt werden. Ein Workshopformat hierfür ist das bereits adressierte „Vision Tournament“ bzw. „Purpose Tournament“.  Bei diesem Tool werden Kleingruppen gebildet, die Vorschläge für die Vision ausarbeiten. Diese werden dann mit denen der anderen Gruppen verglichen und anschließend zusammengeführt. Dieser Vorgang wird wiederholt bis am Ende lediglich eine finale Vision bestehen bleibt, die die Vorschläge aller beteiligten Personen vereint.

Zur Aufgliederung des strategischen Leitbilds und insbesondere der Vision wurde in den Interviews mehrfach von der erfolgreichen Einführung von Objectives and Key Results (OKRs) berichtet. Durch diese Methodik kann das strategische Leitbild auf die verschiedenen Teams und bis auf einzelne Mitarbeitende heruntergebrochen werden. Zielsetzung ist durch regelmäßige Abgleichung den Team- und Individualfortschritt messbar zu machen. Aus den Interwies wird jedoch klar, dass die alleinige Einführung von OKRs nicht ausreichend ist.

Unabdingbar ist, dass die Mitarbeitenden hinter den vereinbarten Zielen stehen, was in der Realität oft nicht der Fall war. Ein Interviewpartner schildert erfolgreich damit zu sein, sich mit dem Prozess Zeit zu nehmen, um ehrliches Feedback zu den OKRs zu einzuholen, Bedenken offen zu erfragen und Fragen zu ermöglichen. „Es geht nicht um Konsens, sondern darum ein Buy-in von allen zu erhalten - auch wenn die Mitarbeitenden manchmal anderer Meinung sind. Dies bekomme ich nur, wenn ich den Raum zur Diskussion öffne und mir Zeit dafür nehme“. 

 

Grundstein 2 - Die Basis für eine hohe Talentdichte liegt im Recruiting

Talentierte Mitarbeitende spornen sich gegenseitig zu Höchstleistungen an und bestimmen so maßgeblich die Performance des Teams. Solche Mitarbeitende kennzeichnet eine eigenverantwortliche und zuverlässige Arbeitsweise, welche neben der Performance auch die Motivation und Zufriedenheit der Kolleg:innen erhöht. Führungskräfte sollten darauf achten, dass diese Talente in einem Umfeld von Gleichgesinnten agieren können. Denn für diese ist es von großer Bedeutung, dass sie effizient miteinander arbeiten und voneinander lernen können.

Jedoch zeigt die Studie, dass in der Praxis Mitarbeitende mit geringem Leistungsbeitrag oft von Unternehmen bzw. Führungskräften toleriert werden. Dies kann zu einer Verringerung von Motivation und Leistungsfähigkeit gesamter Teams führen. Daher sind gezielte Rekrutierungsprozesse und konsequentes Feedback Voraussetzungen für den Aufbau bzw. den Erhalt einer hohen Talentdichte.

 

Gezielte Rekrutierung

Problembeschreibung

Aus der vorherigen Beschreibung geht hervor, dass in Unternehmen oft eine Lücke besteht zwischen dem gewünschten Leistungsbeitrag, den Mitarbeitende leisten sollen, und dem tatsächlichen geleisteten Beitrag. Dies bestätigen auch die Interviews.

Eine hohe Anzahl an Low-Performern im Team erbringen nur durchschnittlich oder sogar unzufriedenstellende Leistungen. Darüber hinaus reduzieren sie durch die entstehende Gruppendynamik auch den Leistungsbeitrag sowie das Motivationslevel der Medium- und High-Performer. Hierbei ist die Verringerung des Motivationslevels der noch kritischere Faktor. Aufgrund der aktuellen Situation im Arbeitsmarkt haben Medium- bis High-Performer ein Überangebot an anderen lukrativen Positionen, wo sie voraussichtlich ein motivierteres und leistungsstärkeres Team vorfinden. Somit ist es wahrscheinlicher, dass High- und Medium-Performer das Team schneller verlassen, während die Low-Performer häufig im Team bleiben. Als Konsequenz sinkt das Leistungsniveau des Teams noch stärker. Der Fokus muss dementsprechend darauf liegen, die besten Talente für das eigene Team und die eigene Organisation zu gewinnen sowie zu halten.

Mitarbeitende mit zu einer Position passenden Fähigkeiten und Kompetenzen einzustellen, ist die Basis einer erfolgreichen Rekrutierungsarbeit. Ein allgemein hohes Leistungsniveau der Mitarbeitenden dient als Grundstein einer HPC.

 

Lösungsansatz

Gezielte Rekrutierung wurde in der Theorie und Praxis des Personalmanagements bereits intensiv behandelt. Somit besteht eine große Grundlage an Informationen, wie Organisationen ihr Recruiting verbessern können. Im Rahmen der Interviews wurden einzelne Ansätze herausgehoben: Einerseits sollte der Fokus nicht nur auf fachlichen, sondern verstärkt auf persönlichen Kompetenzen liegen. Ein Großteil der Interviewten ist sich einig: Fachliche Kompetenzen kann man über die Zeit lernen, persönliche Kompetenzen wie Eigenverantwortung, Zuverlässigkeit und intrinsische Motivation eher nicht. Eigenmotivation und Selbstantrieb darf an dieser Stelle jedoch nicht mit reinem Karrierestreben verwechselt werden. Vielmehr geht es um den eigenen Drang sich selbst weiterzuentwickeln und einen Beitrag für das Team und das Unternehmen zu leisten. Motivierte Mitarbeitende sind unabdinglich für eine HPC, da sie sich selbst und auch andere anspornen immer wieder einen positiven Beitrag zu leisten. 

In den Interviews zeigt sich auch, dass viele Organisationen zwischen Experten-, Führungs- oder Projektkarriere unterscheiden. Experten sind laut Interviewten in manchen Fällen weniger geeignet für eine Führungskarriere, während Personen mit Führungsqualitäten, nicht zwangsläufig gute Projektmanager:innen sein müssen. Eine dementsprechende Prüfung der Kompetenzen sollte integraler Bestandteil des Rekrutierungsprozess sein.

Diverse Teams performen besser, das geht aus Erfahrung der Interviewten hervor. Daher sollte im Rekrutierungsprozess darauf geachtet werden, dass Teams heterogen aufgestellt werden.

Durch hybrides Arbeiten hat sich der Recruiting-Prozess verändert. Einstellungsgespräche werden aus Kosten- und Zeitgründen oft remote durchgeführt. Aufgrund der räumlichen Distanz ist es jedoch schwieriger, persönliche Beziehungen zwischen einstellender Person und Bewerber:in aufzubauen. Daher empfiehlt sich, Teile des Rekrutierungsprozesses in Präsenz durchzuführen. Wenn das nicht möglich ist sollten während der Bewerbungsgespräche Recruiter:innen den Fragefokus stärker auf persönliche Kompetenzen legen als in einem Präsenzgespräch, um die persönliche Distanz zu verringern und ein besseres Verständnis für das virtuelle Gegenüber zu bekommen.

Auch das Onboarding neuer Mitarbeitenden sollte in Präsenz gestaltet werden. Dies beschleunigt das gegenseitige Kennen- und Verstehenlernen. Zusätzlich kann dadurch die Identifikation und Bindung mit dem Unternehmen gestärkt werden.

 

Best Practice Tools

Einzelne Interviewpartner:innen, gerade aus dem Start-Up Bereich, zeigen sich zufrieden mit der Strategie für bestimmte Positionen Gehälter zu bezahlen, die weit über dem Marktniveau sind. Sie bestätigen so erfolgreich hochtalentierte Kandidat:innen in Zeiten des Fachkräftemangels für sich zu gewinnen.

Einige Interviewten sprechen die Empfehlung aus, das entsprechende Team mit in den Rekrutierungsprozess einzubinden, da eine funktionierende Zusammenarbeit direkten Einfluss auf die Team-Performance hat und so die Fähigkeiten und Kompetenzen auf operativer Ebene besser beurteilt werden können.

Ein Interviewter berichtet von dem „In Doubt Out Prinzip“. Das Prinzip besagt, dass ein:e Bewerber:in nicht eingestellt wird, sobald eine in den Rekrutierungsprozess eingebundene Person leichteste Zweifel an einer guten Zusammenarbeit hat. Hierbei geht es nicht um fachliche Kompetenzen, sondern der Fokus liegt klar auf dem Fit der persönlichen Kompetenzen zwischen Bewerber:in und dem Team.

Eine weitere Empfehlung der einiger Interviewpartner:innen ist die Probezeit viel stärker zu nutzen, um zu schauen ob die eingestellte Person und das Unternehmen zusammen passen. Das bedeutet einerseits zu schauen: Passt aus Unternehmensperspektive die Person wirklich zur Unternehmenskultur und füllt sie die Rolle so aus wie erhofft? Hierfür sollte nicht nur die Sicht der Führungskraft, sondern auch das Feedback der Teammitglieder miteinbezogen werden. Auf der anderen Seite sollte auch mehr der Dialog mit den neuen Mitarbeitenden gesucht werden, um zu erfahren, wie diese Person die oben genannten Fragen für sich beantwortet.

Ein Interviewpartner nennt als Best Practice die Abfrage von persönlichen Werten im Rekrutierungsprozess. Hierbei werden die Werte der Kandidat:innen erfragt und diese gebeten die Werte mit konkreten Beispielen aus dem (beruflichen) Alltag zu belegen. Dies ermöglicht dem Rekrutierenden ein besseres Verständnis der Persönlichkeit der Bewerber:innen und gleichzeitig kann überprüft werden, ob diese mit dem Unternehmenswerten konform sind. Dies bestätigt einer Interviewpartner: „Wir achten bereits beim Recruiting darauf, wie Bewerber:innen ticken und legen Wert auf diejenigen, die großen Selbstantrieb und Motivation mitbringen. Denn nur so entsteht ein High Performing Team, das sich selbst kontinuierlich verbessert und uns zum Erfolg führt."

 

 

Konsequentes Feedback

Problembeschreibung

Konsequentes konstruktives Feedback umfasst, dass ungenügende Leistung benannt wird und Verbesserungsvorschläge gesucht werden. Dies impliziert zwei potenzielle Schwierigkeiten. Erstens muss der/die Feedback-Geber:in den Drang zur Verbesserung der Situation haben und den Mut aufbringen, das konstruktiv kritische Feedback auszusprechen. Eine andere Person konstruktiv zu kritisieren kann durchaus schwerfallen. Zweitens muss der/die Feedback-Nehmer:in die Offenheit und gleichzeitig die Lernbereitschaft haben, um das Feedback anzunehmen und sich dadurch zu verbessern. Kritik einer anderen Person kann durchaus den eigenen Stolz verletzen.

Die Interviews verdeutlichen, dass diese beiden Schwierigkeiten oft der Grund sind, warum in Organisationen wenig bis gar kein konstruktiv kritisches Feedback gegeben wird. Wenn dies geschieht, können einerseits begangene Fehler oft zu lange unerkannt bleiben. Andererseits kann aus Fehlern nicht gelernt werden. Somit kann sich weder das Individuum noch das Team dadurch verbessern. Dies führt gerade bei den High-Performern zur Frustration. Um eine hohe Talentdichte, in der sich alle Personen weiterentwickeln, aufrecht zu erhalten, ist demnach konsequentes (konstruktiv-kritisches) Feedback unabdinglich.

 

Lösungsansatz

Um konsequentes Feedback zu etablieren, braucht es im ersten Schritt die Akzeptanz in der ganzen Organisation, dass Fehlermachen zum „Mensch sein“ dazu gehört. Im zweiten Schritt sollte auf individueller Ebene jede:r Feedback-Geber:in klar sein, wie konstruktiv kritisches Feedback gegeben werden sollte. Klarheit sollte auch darüber herrschen, dass Feedback zeitnah und im persönlichen Dialog (Vier-Augen-Gespräch) stattfinden sollte.

Die Studie zeigt darüber hinaus, dass in Organisationen, bei denen konsequentes Feedback noch nicht kultiviert ist oft Vorbilder fehlen, die „gewaltfrei“ konstruktiv kritisches Feedback geben. Doch es bedarf Vorbilder, die den Wert von Feedback erkennen, die aktiv Feedback geben und darüber hinaus wissen, wie man auch selbst Feedback einfordern kann. Denn durch diese Vorbilder werden weitere Mitarbeitende darin bestärkt Feedback zu geben und tragen dieses Verhalten auch in die Organisation. Neben konstruktiv kritischem Feedback kommt in der Unternehmenslandschaft auch positives Feedback viel zu kurz. Mitarbeitende klagen oft über zu wenig Wertschätzung. Ein Interviewpartner stellt die Bedeutung dieser im Arbeitsalltag explizit heraus: „Wertschätzung zählt wie Anerkennung und soziale Zugehörigkeit zu unseren Grundbedürfnissen“, sagt Jens Brodowski Head of IT/OT Strategy and Digital Transformation von RWE Renewables.

 

Best Practice Tools

Aus den Interviews wird klar: Viele Mitarbeitende fühlen sich nicht wohl Feedback zu geben. Häufig liegt das daran, dass sie nicht wissen wie. Feedbackworkshops oder Feedbacktage, innerhalb deren Mitarbeitenden lernen wie sie konstruktiv kritisches Feedback geben sind ein guter Weg, um Feedback in der Organisation zu verankern. Die Methode der „gewaltfreien Kommunikation“ nach Marshall B. Rosenberg bietet u.a. einen guten Leitfaden an, um konstruktiv kritisches Feedback zu geben. Die „SAG-ES-Formel“ wurde von einem Interviewpartner als weitere Möglichkeit genannt. Ein befragtes Unternehmen, bietet den Mitarbeitenden Schulungen zum Thema „Active Listening“ an. Zielsetzung ist es bei den Teilnehmer:innen, Bewusstsein über die Wichtigkeit des gegenseitigen Zuhörens zu etablieren.

Auch individuelles Coaching kann helfen die „Feedbackscheu“ zu reduzieren. Beim Thema Feedback gilt: Training ist das A&O. Je häufiger Mitarbeitende Feedback geben und feststellen, dass dies keine negativen Konsequenzen für sie hat, desto sicherer fühlen sie sich in der Rolle als Feedbackgeber und desto häufiger sind sie auch gewillt Feedback zu geben.

Ein letztes Best Practice Tool aus den Interviews ist die Etablierung von „Speed-Feedback“. Ziel ist das Feedbackgeben untereinander zu kultivieren. Beim „Speed-Feedback“ wird im Rahmen von Teammeetings oder -events für eine kleine Anzahl an Kolleg:innen individuelles Feedback auf eine Karte geschrieben. Diese Karte wird übergeben, nachdem das Feedback innerhalb von zwei Minuten persönlich mitgeteilt wurde. Fragen wie: „Eine Sache, die ich wirklich an Dir schätze ist…“ oder „eine Sache, die Dich noch wirkungsvoller machen würde ist…“, werden hier genannt. Der Geschäftsführer eines interviewten Unternehmens sagte im Gespräch: „Für den Erfolg der vent.io und unseres jungen, international zusammengestellten Teams ist eine offene Feedback-Kultur besonders wichtig. Während unseres Feedback-Days wurde die gemeinsame Basis für eine offene Fehler- und Feedback-Kultur gefestigt. Speed-Feedback war einer von vielen ‚Feedback-Hacks‘ die wir mittlerweile auch etabliert haben.“

 

Grundstein 3 - Das Manifest der Zusammenarbeit: Vertrauens-, Konflikt- und Fehlerkultur als Eckpfeiler

Die Studie ergibt, dass zur Etablierung einer HPC drei Eckpfeiler in der täglichen Arbeit notwendig sind: Vertrauen, Konfliktfähigkeit sowie ein positiver Umgang mit Fehlern. Sie ergeben den Rahmen für das Manifest der Zusammenarbeit. Wenn diese nicht gegeben sind, können destruktive Phänomene auftreten, wie Informationseinbehaltung, Aufbau von Machtverhältnissen oder „Fingerpointing“ bei Fehlern. Die negative Konsequenz daraus ist eine nachhaltige Motivations- und Leistungsreduzierung bei den Mitarbeitenden.

In Zeiten hybrider Arbeit erhält das Manifest eine noch stärkere Bedeutung, da zufällige Begegnungen seltener sind. Eine gezielte Gegensteuerung ist notwendig, um das Beziehungsverhältnis zwischen Mitarbeitenden untereinander sowie mit ihren Führungskräften aufzubauen und zu sichern. So muss für alle drei Elemente jeweils differenziert werden, welche Methode und Arbeitsform für die jeweilige Situation im Team am besten passt.

 

Vertrauen

Problembeschreibung

Vertrauen ist die Basis, ohne die es keine HPC gibt – dies ist der gemeinsame Nenner der Interviewpartner:innen. In einer vertrauensvollen Umgebung vertrauen die Mitarbeitenden sich gegenseitig und zeigen sich auch verletzlich. Sprich sie gehen offen mit ihren Schwächen und ihrem Unwissen um und gestehen Fehler vor anderen ein. Im Gegensatz dazu wird deutlich, dass fehlendendes Vertrauen einen starken, negativen Einfluss auf die Team-Performance und somit auf die ganze Organisation hat.

Mehrere Interviewte geben an, dass sie auch in ihrer Organisation sehen können, dass es an Vertrauen mangelt. Oft lässt sich dies auf zwei Faktoren zurückführen. Der erste Faktor ist, dass Vertrauen auf horizontaler Ebene zwischen Kolleg:innen oft als Selbstverständlichkeit betrachtet wird. Es fehlt das Bewusstsein sowie der Raum für den Auf- und Ausbau von Beziehungen und Vertrauen untereinander. Der zweite Faktor ist ein unterschiedliches Verständnis sowie Erwartungshaltung auf vertikaler Ebene zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden. Führungskräfte sehen häufig ihre primäre Aufgabe in der fachlichen Führung ihrer Mitarbeitenden. Bei vielen Mitarbeitenden, vor allem bei jüngeren Generationen, ist die Erwartungshaltung jedoch anders. Sie möchten nicht als reine Arbeitskraft, sprich als Objekt, betrachtet werden, sondern als Mensch mit all ihren persönlichen Bedürfnissen und Interessen.

 

Lösungsansatz

Da Vertrauen die absolute Basis einer HPC darstellt, sollte Fokus auf den Auf- und Ausbau persönlicher Beziehungen gelegt werden. Doch aufgrund räumlicher Distanz in Zeiten hybrider Arbeit, stoßen Unternehmen und Führungskräfte hierbei auf neue Herausforderungen. Denn auch wenn Teile der Arbeit sich wieder in das Büro verlegt haben, kann immer noch viel Zeit vergehen, bis Kolleg:innen am selben Tag im Büro sind und sich persönlich austauschen. Doch gerade dann, wenn Mitarbeitende nicht täglich im Büro zusammenarbeiten, ist es für Führungskräfte und ihr Team wichtig in engem Kontakt zu bleiben, um das Vertrauensverhältnis zu stärken. So sagt ein Interviewpartner: „Vertrauen baut sich durch persönlichen Kontakt auf.“ Daher ist es ratsam für Unternehmen und Führungskräfte regelmäßig den Austausch zu forcieren. Eines der überraschenden Ergebnisse der Studie ist, dass die emotionale Verbindung zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden in Teilen stärker ist denn je. Und das, trotz räumlicher Distanz. Bei den Führungskräften trennt sich die Spreu vom Weizen. Beziehungsorientierte Führungskräfte, die auch in Zeiten hybrider Arbeit viel Zeit in die Beziehungspflege investieren, die wahres Interesse an ihren Mitarbeitenden zeigen und sich intensiv mit diesen beschäftigen, erzielen diese gestärkte Verbindung. Sie sehen den Mitarbeitenden als Mensch und nicht als Objekt. Dies hat zur Folge, dass Mitarbeitende ihr Potential einsetzen und weiterhin motiviert und gerne zur Arbeit gehen. Dadurch bleiben sie dem Unternehmen treu – ein Ergebnis, das gerade in der heutigen Zeit des Fachkräftemangels große Auswirkungen auf das Unternehmen hat. Wenn Führungskräfte hingegen wenig beziehungsorientiert handeln, zeigt sich oft der gegenteilige Effekt.

So lässt sich die Hypothese ableiten, dass die Führungskraft als reine:r Manager:in abgelöst ist von der Führungskraft, die den Mitarbeitenden als Person in den Vordergrund stellt. Mitarbeitende werden dann wahrgenommen als Menschen mit all ihren Stärken, Interessen und Bedürfnissen und nicht nur als Erfüllungsgehilfen zur Ausführung ihrer Aufgaben. 

In den Interviews wird vermehrt daran appelliert den Mitarbeitenden im Home-Office mehr Vertrauen zu schenken und weniger Kontrolle walten zu lassen. So empfiehlt eine Interviewpartnerin: „Vertraut Euren Mitarbeitenden und stärkt sie durch Flexibilität, Freiheit und Selbstorganisation. So können sie ihre individuellen Potentiale vollständig einbringen und damit die ganze Organisation davon profitieren.“

 

Best Practice Tools

Der Vertrauensaufbau durch regelmäßigen persönlichen Kontakt, steht weiterhin im Vordergrund, sei es via Videokonferenz oder in live. Hier geht es darum sich wirklich für die Mitarbeitenden zu interessieren, zu erfahren wie es der Person gerade geht, was ihr wichtig ist, wie zufrieden und motiviert diese gerade ist und wie die Führungskraft bestmöglich unterstützen kann.

Viele Führungskräfte zeigen gerade in Zeiten von Home-Office ein gesteigertes Engagement sowie kreative Ideen. So berichtet ein Interviewter von „Meaningful Conversations“ mit seinen Teammitgliedern. Er nimmt sich alle paar Wochen 90 Minuten Zeit für persönliche Gespräche im virtuellen Raum, ganz ohne Agenda. Ein anderer Interviewter gibt an, sich in der Woche 15 Minuten Telefonzeit zu blockieren, damit er einzelne Mitarbeiter:inenn zwischendurch für rund 5 Minuten anruft, nur um zu erfahren wie es ihnen gerade geht.

Weitere Interviewte berichten von dem Einsatz persönlicher Check-In sowie Check-Out-Fragen zu Beginn von (virtuellen) Meetings zur Förderung des Vertrauens (z.B. „Wann bist Du das letzte Mal gescheitert?“ oder „Was ist Dein größter Traum?“). Durch das bewusste Erfragen und Nennen persönlicher Gefühle und Erlebnisse wird das gegenseitige Vertrauen gestärkt und die Beziehung auf ein höheres Level gebracht. Zudem werden die „Moving Motivators Karten“ als spielerische Unterstützung genannt, um als Führungskraft gemeinsam mit Mitarbeitenden herauszufinden, was diese motiviert. Viele weitere Ideen zum Vertrauensaufbau finden sich in der Toolbox wieder.

 

Konfliktfähigkeit

Problembeschreibung

Die Basis für Konfliktfähigkeit ist Vertrauen. Es braucht Vertrauen, um offen die eigene Meinung zu sagen und diese konstruktiv mit anderen Personen zu diskutieren. In einer gesunden Streitkultur können Mitarbeitende darauf vertrauen, dass sie ihre Meinung offen sagen können, ohne dass dies negative Folgen für sie hat. Dies hat auch US-amerikanische Manager Patrick Lencioni mit der Performance Pyramide dargestellt.

Obwohl sich dies simpel anhört, ergibt die Studie, dass Konfliktfähigkeit ein seltenes Gut ist. Dies liegt daran, dass Konflikte zwischen zwei Individuen oder Parteien oft auf eine persönliche Ebene gezogen werden, auf der sich mehrere Beteiligte schnell angegriffen fühlen können.

Zusätzlich spielt auch hier das hybride Arbeiten eine gesonderte Rolle. Aufgrund des geringeren persönlichen Kontaktes ist es für Mitarbeitende oft einfacher, Konflikten aktiv aus dem Weg zu gehen, wodurch diese länger unterschwellig bestehen bleiben. So sagt ein Interviewtpartner: „Beim virtuellen Arbeiten habe ich beobachtet, dass es zu mehr Konflikten aufgrund von Missinterpretation kommt.“ Im schlimmsten Fall kann es dann zu spät sein die persönliche Beziehung zwischen den involvierten Personen zu retten.

 

Lösungsansatz

Konfliktfähigkeit als Kompetenz bei Mitarbeitenden flächendeckend zu etablieren ist nicht leicht. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass Menschen von ihren Erfahrungen geprägt sind und ihr Umgang mit Konflikten bereits in Kindheitstagen beeinflusst wurde. Der erste Schritt ist es dies ins Bewusstsein der Mitarbeitenden zu rufen und eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Konfliktverhalten zu ermöglichen. Das ist notwendig, da eine aktive Auseinandersetzung mit Konflikten der erfolgversprechendste Weg ist. Hierbei hilft es zu verstehen welche Art des Konfliktes vorliegt, wie mit Konflikten umgegangen wird und wie diese deeskaliert werden können. Hierfür ist eine offene, transparente Gesprächsführung in einem „geschützten Raum“ wichtig. In diesem Raum soll den Beteiligten das Gefühl vermittelt werden, dass sie ihre Interessen und Bedürfnisse offen kommunizieren können, ohne dafür im Nachgang negativ belastet zu werden.

 

Best Practice Tools

Als Best Practice Tools haben sich bei den befragten Unternehmen vor allem das Etablieren von Konfliktworkshops, die regelmäßige Durchführung von moderierten Retros wie auch die Etablierung von Feedback als festen Bestandteil einer Agenda etabliert. Somit wird gefördert, dass sich die Mitarbeitenden aktiv mit ihrem Gegenüber auseinandersetzen, deren Beweggründen nachvollziehen können und selbst die Möglichkeit haben eigene Bedenken zu äußern.

Eine weitere interessante Maßnahme eines befragten Unternehmens ist die Einführung eines „Happiness Managers“ sowie regelmäßiger „Happiness Umfragen“ bei den Mitarbeitenden. Eine der Kernaufgaben der Happiness Manager ist es, interpersönliche Konflikte zu identifizieren, mit den entsprechenden Personen zu diskutieren und zu einem gemeinsamen Konsens zu kommen. Für Unternehmen, die nicht über die Größe und Finanzkraft verfügen, eine oder mehrere dedizierte Personen hierfür einzustellen, bietet es sich an, diese Rolle an Freiwillige in der Organisation zu übertragen.

Darüber hinaus gaben mehrere Unternehmen an, dass die Einführung von „Office Hours“ oder „Open Door Window“ den Aufbau einer positiven Streitkultur gefördert haben, vor allem wenn der Konflikt zwischen Führungskraft und Mitarbeitendem liegt. Eine solches „Open Door Window“ ist ein festgelegter Zeitraum, den die Führungskraft sich blockt. In diesem Zeitraum können Mitarbeitende bei Bedarf ein gewünschtes Thema besprechen. Wichtig ist, dass hierbei nicht nur über fachliche Themen gesprochen wird, sondern auch über persönliche Themen. Digital lässt sich diese Maßnahme über eine Termineinladung an alle Mitarbeitende für den digitalen Raum der Führungskraft realisieren.

Zu guter Letzt bietet es sich an, regelmäßig moderierte Retrospektiven durchzuführen. Ein Team braucht eine gewisse Zeit, um sich kennenzulernen und miteinander zu reifen, vor allem wenn es neu zusammengestellt wurde. Hierfür bietet eine Retrospektive dediziert den Raum.

 

Positiver Umgang mit Fehlern

Problembeschreibung

In einer Kultur, in der ein positiver Umgang mit Fehlern herrscht, trauen sich Mitarbeitende Dinge auszuprobieren, da etwaige Fehler nicht bestraft werden. Neues ausprobieren und ein Scheitern in Kauf zu nehmen ist unabdingbar, um eine Innovationskultur zu etablieren. Wichtig ist, dass aus Fehlern gelernt wird, indem diese analysiert und transparent gemacht werden. Die daraus abzuleitenden Lehren können die Erfolgswahrscheinlichkeit neuer Ideen somit erhöhen.

Im Kontrast dazu zeigen die Interviews jedoch, dass in einigen Unternehmen Mitarbeitende immer noch große Angst haben Fehler zu begehen sowie einzugestehen. Die Konsequenzen daraus sind kritisch. Denn die Angst vor Fehlern ist eines der größten Hemmnisse für die Innovationskraft eines Unternehmens. Mitarbeitende lehnen regelmäßig und bewusst die Übernahme von Verantwortung ab. Hintergrund ist, dass sie zu große Angst vor möglichen negativen Konsequenzen haben. Wenn dies der Falls ist, ist die Gefahr groß, dass Entscheidungen ausschließlich an der Spitze des Unternehmens getroffen werden. Dies kann zu einem „Bottleneck“ in der Entscheidungsfindung führen. So wird das Potential der Mitarbeitenden nicht ausreichend genutzt, da Mitarbeitende lediglich Dienst nach Vorschrift betreiben.

 

Lösungsansatz

Eine eindeutige Erkenntnis der Studie ist, dass eine positiver Umgang mit Fehlern zwischen Kolleg:innen definitiv von großer Bedeutung ist. Zentral ist jedoch, wie Führungskräfte mit Fehlern umgehen. Schließlich liegt es meist in ihrem Verantwortungsbereich, die Arbeitsergebnisse der Mitarbeitenden zu beurteilen. Führungskräfte müssen sich über das Ausmaß ihrer eigenen Aussagen und Bewertungen gegenüber den Mitarbeitenden im Klaren sein. Bei der Bewertung von Arbeitsergebnissen, vor allem bei verbesserungswürdigen Ergebnissen, sollte der Fokus stets auf der Frage liegen: „was kannst Du daraus lernen?“ Dies gilt auch, wenn eklatante Fehler begangen werden. Die Unterstützung der Führungskraft führt nicht nur zur emotionalen Sicherheit der Mitarbeitenden, sondern bestärkt diese eigenständig zu handeln und Ideen weiterzuentwickeln.

 

Best Practice Tools

Die zentralste Erkenntnis aus den Interviews bezüglich der Fehlerkultur ist, dass Führungskräfte sich gegenüber ihren Mitarbeitenden verletzlich zeigen sollten. So bezeugt eine Interviewpartnerin: „Ich habe gelernt, dass ich viel mehr gewinne, wenn ich auch meine Schwächen zugebe. Dadurch werde ich als Führungskraft nahbarer und baue Vertrauen auf.“ Wenn Führungskräfte Fehler eingestehen, wirken sie als Vorbild und erleichtern es den Mitarbeitenden dies auch zu tun.

Dabei haben sich bei den Interviewten zwei Methoden gezeigt: Zum einen „Fuck Up Nights“ und zum anderen die „Failure Wall”.

Bei den „Fuck Up Nights“ handelt es sich um eine (virtuelle oder in Präsenz stattfindende) Veranstaltung, in der in einem größeren Plenum Einzelpersonen ihre selbst begangenen Fehler („Fuck Ups“) vorstellen. Ziel ist es so anderen zu ermöglichen aus ihren Fehlern zu lernen.  Führungskräfte sollten in ihrer Vorbildfunktion mit der Präsentation ihrer Fehler beginnen, um den restlichen Teilnehmenden die Angst vor Sanktionierung zu nehmen.

Das zweite Werkzeug, die „Failure Wall“, sollte eher auf Team- oder Abteilungsebene eingesetzt werden. Es handelt sich hierbei um eine Metaplanwand (Digital bietet sich ein zentraler Speicherplatz wie ein gemeinsames virtuelles Board an), auf der alle Mitarbeitende sowie Führungskräfte begangene Fehler auf Post-Its schreiben. Eine Möglichkeit zur Erweiterung der „Failure Wall“ ist der Aufsatz eines entsprechenden Lösungs- bzw. Ideenspeichers, um aus den begangenen Fehlern Innovationen zu entwickeln. Alternativ bietet es sich auch an, einmal im Monat als Team oder Abteilung zusammen zu kommen und den „Fail des Monats“ zu küren und der Verantwortlichen Person eine Belohnung für den Fehler auszusprechen. Dieser spielerische Umgang mit Fehlern stärkt zusätzlich auch den Zusammenhalt innerhalb des gesamten Teams.

 

 

Eine HPC kann nur durch regelmäßiges Hinterfragen der eigenen Grundsteine etabliert, erhalten und gestärkt werden

Die Studie zeigt eindeutig, wie komplex die Etablierung oder Stärkung einer HPC ist. Die Studie zeigt aber auch, welche Vorteile eine HPC für Unternehmen bringt. Organisationen, die über eine HPC verfügen, sind eindeutig erkennbar an Faktoren wie einer breit ausgelegten Lernbereitschaft und Wissbegier, effizienter und visionsgetriebener Zusammenarbeit sowie allgemeinen Wohlbefinden und Wertschätzung. Die Studienergebnisse verdeutlichen, dass der Wandel hin zu einer HPC mit großen Chancen einhergeht. Durch die Intensivierung persönlicher Beziehungen zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften können die Potentiale der Mitarbeitenden besser genutzt, die Leistungsfähigkeit des Unternehmens gesteigert und Mitarbeitende gehalten werden.

Mit Blick auf hybrides Arbeiten sticht aus der Studie heraus, dass auf persönlichen Kontakt nicht verzichtet werden sollte. Denn Begegnungen haben eine große Auswirkung auf das Vertrauen und die Zusammenarbeit im Team und somit auf die Performance. In der hybriden Welt ist es erforderlich mehr Zeit in den Beziehungsaufbau zu investieren, um den persönlichen Kontakt zu stärken.

Unabdingbar ist, den neuen Rahmenbedingungen mit neuen Antworten zu begegnen. Führungskräfte und Mitarbeitende müssen situationsabhängig überlegen, welche Herausforderung sie in welcher Arbeitsform und mit welchem Format begegnen möchten.

In der Praxis empfiehlt es sich zu schauen welche Elemente bereits auf solider Basis stehen und wo die größten Herausforderungen liegen. Ein Interviewpartner sagt klar: „Focus is key! Nicht alle Baustellen auf einmal angehen! Denn wenn alle Grundsteine simultan angegangen werden, ist die Gefahr groß, dass sich die Organisation und einzelne Mitarbeitende verzetteln.“

Die Best Practice Tools der Interviewten können hier eine große Hilfe bieten, da sie sowohl Führungskräften wie auch Mitarbeitenden einfache und schnelle Möglichkeiten geben, ihren Berufsalltag in Richtung einer HPC zu entwickeln. Nichtsdestotrotz empfiehlt sich eine längerfristige und flächendeckende Begleitung für den Aufbau einer HPC (z.B. durch die HR-Abteilung), um das Wissen über die Bedeutung einer HPC sowie über die richtige Verwendung der Tools sicherzustellen.

Trotz einer breit angelegten Einführung einer HPC, müssen sich Organisation vor Augen halten, dass der einmalige oder kurzfristig andauernde Einsatz der Grundsteine sowie passender Methoden nicht ausreichend ist, um eine HPC langfristig zu etablieren. Dies liegt an den sich ständig ändernden Einflüssen des makroökonomischen Umfelds, des Unternehmens sowie der Mitarbeitenden auf das strategische Unternehmensleitbild, die Talentdichte und das Manifest der Zusammenarbeit. Dementsprechend sollten Führungsebene und Mitarbeitende Fähigkeiten wie Schnelligkeit, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit zeigen. Regelmäßig die eigenen Grundsteine kritisch zu hinterfragen ist hierbei der Schlüssel für die Aufrechterhaltung und Stärkung der HPC.

Folglich lässt sich festhalten: Das systematische Umsetzen der drei genannten Grundsteine ist der Startpunkt beim Aufbau einer HPC und stellt anschließend die Basis einer HPC dar. Doch dies ist erst der Anfang. Um eine HPC zum Leben zu erwecken, bedarf es die punktuelle Nutzung von verschiedenen Tools zu den drei Grundsteinen. Zahlreiche Tools können der Toolbox entnommen werden, die aus den best practices der Interviewpartner:innen entstanden ist.

 

 

Studiendesign:

Verena Vinke und Nicole Zipse (Gründerinnen Die CoachingBeratung) haben gemeinsam mit Yannick Bahlmann (BREAX Consulting) eine qualitative Studie durchgeführt. Um ein möglichst breit geltendes Bild der Situation zu erlangen, wurden insgesamt ca. 30 Vertreter:innen aus Konzernen, Mittelständlern und Start-Ups (u.a. Unternehmen wie vent.io, cherry ventures, atruvia) im Rahmen von semi-strukturierten Interviews befragt. Dabei war der Fokus der Studie herauszufinden, vor welche Herausforderungen hybrides Arbeiten Mitarbeiter:innen und Führungspersönlichkeiten von Unternehmen stellt, welche Best Practices und Lehren aus der Zeit der Remote Arbeit gezogen und auf die neue Arbeit übertragen werden können und vor allem, wie Organisationen eine Kultur (High Performance Culture) gestalten können, in der alle Individuen einer Organisation ihr eigenes Potential bestmöglich einbringen, um gemeinsame Organisationsziele zu erreichen.